Das Bildungswesen in Deutschland steht vor enormen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen: Den in vielen Bereichen gravierenden Fachkräftemangel, den Einzug der Künstlichen Intelligenz in Bildung und Arbeitswelt sowie die Integration von Geflüchteten in Gesellschaft, Bildung und Arbeitsmarkt. Daher muss sich das Bildungssystem weiterentwickeln und in einigen Bereichen grundlegend erneuern.
Um diese Herausforderungen zu meistern, müssen Politik, Wirtschaft, Pädagogik und Zivilgesellschaft ihre Kräfte bündeln und gemeinsam an zukunftsorientierten und nachhaltigen Lösungen arbeiten. Privatschulen haben sich bereits in der Vergangenheit in diesen wichtigen Prozess eingebracht und viele entscheidende Impulse für das Bildungssystem gesetzt. Sie leisten einen wesentlichen Beitrag für ein vielfältiges und innovatives Bildungsangebot in Deutschland – in der Allgemeinbildung, in der beruflichen Bildung sowie in der Weiterbildung und Qualifizierung – und gehen gesellschaftliche Herausforderungen aktiv an.
Durch gezielte politische Maßnahmen und eine nachhaltige Zusammenarbeit mit allen Akteuren können Privatschulen in den nächsten Jahren weiterhin ein wichtiger Partner sein, um Bildung und Qualifizierung in Deutschland zukunftsorientiert zu gestalten. Um dieser Aufgabe in vollem Umfang gerecht werden zu können, ist eine vermehrt institutionalisierte Einbindung der Privatschulen - bspw. als Teil der Kultusministerkonferenz – dringend erforderlich.
In den kommenden vier Jahren sollte die Bundesregierung der Bildungspolitik den Stellenwert einräumen, den alle Schülerinnen und Schüler, ihre Eltern, alle Auszubildenden sowie Teilnehmende in der beruflichen Weiterbildung, Qualifizierung und in den Integrationskursen und Sprachkursen verdienen.
Mit Zukunft Bildung macht der Verband Deutscher Privatschulverbände als Sprachrohr seiner Mitgliedsverbände konkrete Vorschläge und ein Angebot zur Mitgestaltung der Bildungspolitik der Zukunft.
#1 Bildung zur Priorität machen: Bildungsinvestitionen ausbauen, Bundesbildungsprogramme
zukunftsorientiert gestalten, Freie Träger gleichberechtigt beteiligen
Die absoluten Ausgaben der öffentlichen Haushalte für Bildung sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Dennoch: Im internationalen und innereuropäischen Vergleich nimmt Deutschland weiterhin keinen Spitzenplatz ein. Insbesondere, wenn die Ausgaben in Relation zum BIP betrachtet werden. Um Deutschland zukunftsorientiert zu gestalten, Innovationen zu fördern und den vielfältigen Herausforderungen mit Perspektiven zu begegnen, muss Deutschland seine Bildungsinvestitionen weiter ausbauen und eine verlässliche Finanzierung der Bundesbildungsprogramme sicherstellen. Dies sollte eine Bundesregierung verbindlich beschließen.
Dabei ist die bestehende Vielfalt der Bildungsangebote zu berücksichtigen und ihre gleichberechtigte Förderung ausdrücklich als Ziel im Koalitionsvertrag und in der Ausgestaltung der einzelnen Bundesbildungsprogramme zu benennen. Im Sinne des Artikel 104c Grundgesetz müssen Privatschulen bei allen Investitions- und Zukunftsthemen gleichberechtigt zu staatlichen Schulen finanziert und beteiligt werden. Die Möglichkeit zur unmittelbaren Mittelbeantragung setzen wir im Rahmen der Privatschulfreiheit voraus.
#2 Patientenversorgung sichern: Gesundheitsfachberufe zügig reformieren
Die für die vergangene Legislaturperiode geplante umfassende Reform der Gesundheitsfachberufe, insbesondere der Therapieberufe, ist bisher nicht erfolgt. Die Folge: Der akute Fachkräftemangel spitzt sich weiter zu, und die Versorgung der Patientinnen und Patienten mit wohnortnahen Therapieangeboten kann vielerorts nicht mehr sichergestellt werden. Viele Menschen warten viel zu lange auf dringend benötigte Therapieplätze. Praxen suchen im Durchschnitt über sechs Monate, um offene Stellen zu besetzen.
Um den weiteren Rückgang der Ausbildungszahlen in diesen zukunftsrelevanten Berufen zu stoppen, ist eine zügige Reform der Gesundheitsberufe dringend erforderlich. Hierauf sollte sich die Regierungskoalition verlässlich verständigen. Dabei spielt eine umfassende und auskömmliche Finanzierung der Berufsfachschulen und Ausbildungspraxen eine entscheidende Rolle. Dies ist die Voraussetzung für ausreichend Ausbildungsplätze in der Zukunft und eine weiterhin hohe Qualität der Ausbildung in einem sich rasant verändernden Berufsfeld. Der Zugang möglichst vieler Interessierter sichert das Fachkräfteangebot. Über ein berufsfachschulisches und teilweise auch hochschulisches Angebot gelingt die Ansprache von AbsolventInnen aller Schulabschlüsse.
In Zukunft muss das Finanzierungssystem der Ausbildung bundeseinheitlich geregelt sein sowie den Verzicht auf Schulgeld und die Zahlung einer Ausbildungsvergütung ermöglichen. Die Eigenständigkeit und Verantwortung des Bildungsträgers müssen erhalten bleiben. In Anlehnung an die Ausbildung im Pflegeberuf ist das Modell eines Ausbildungsbudgets für die schulische Ausbildung sowie eines Ausbildungsbudgets für die Praxen auch für die Therapieberufe eine Option.
#3 Integration erfolgreich meistern: Angebot von Integrations- und Berufssprachkursen durch verlässliche Finanzierung und ausreichende Ressourcen sichern
Eine zügige und erfolgreiche Integration von Menschen, die nach Deutschland kommen, ist für unsere Gesellschaft von zentraler Bedeutung. Deutschland, als zweitgrößtes Einwanderungsland der OECD, hat eine Erwerbstätigenquote von 70 Prozent bei Zugewanderten erreicht – ein Erfolg, der maßgeblich durch das umfassende Angebot an Integrations- und Berufssprachkursen erzielt wurde. Die sprachliche Integration ist Voraussetzung für gesellschaftlichen Zusammenhalt und auch zur Bekämpfung des Fachkräftemangels. Hierfür sind Sprachkenntnisse mindestens auf dem Niveau B 1 Voraussetzung.
Der VDP fordert von der neuen Bundesregierung eine verlässliche und kostendeckende Finanzierung des “Gesamtprogramm Sprache”, um das notwendige Kursangebot weiterhin gewährleisten zu können und Zugewanderte zügig in Arbeitsmarkt und Gesellschaft zu integrieren. Jährliche Finanzierungsprobleme in diesem Bereich schaden bereits kurzfristig dem notwendigen Angebot an Sprachkursen.
#4 Weiterbildung und Qualifizierung stärken: Verlässliche Finanzierung zielgerichteter arbeitsmarktpolitischer Bildungsmaßnahmen
Die Arbeitswelt verändert sich rasant und damit auch die notwendigen Qualifikationen für eine erfolgreiche Erwerbsbiografie. Um diesem zu begegnen, sind gezielte und nachhaltige Investitionen in arbeitsmarktpolitische Bildungsmaßnahmen unverzichtbar. Kürzungen im Eingliederungstitel und bei den Jobcentern gefährden die Integration und notwendige Qualifizierung von Arbeitslosen sowie von Arbeitslosigkeit bedrohten Beschäftigen und verschärfen den Fachkräftemangel. Stattdessen müssen Mittel gezielt, verlässlich und bedarfsgerecht in Qualifizierungsprogramme fließen, um Potenziale besser zu nutzen und die Beschäftigungsfähigkeit nachhaltig zu stärken.
Ein Bundeshaushalt, der ausreichend Mittel für Bildungsmaßnahmen bereitstellt, ist die Grundlage für eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik. Langfristige und verlässliche Finanzierungsstrukturen sichern bewährte Programme und stärken die Integration von Arbeitslosen sowie von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen. Die Beschäftigtenqualifizierung wird weiter an Bedeutung gewinnen und bedarf besonderer Unterstützung bei Kooperation und Kollaboration der Bildungsträger, u.a. in Regionen mit massivem Strukturwandel. Die Bundesagentur für Arbeit und Jobcenter benötigen eine bedarfsgerechte Finanzierung, um Maßnahmen zur Eingliederung effektiv zu unterstützen. Zugleich öffnet dies die Möglichkeit, innovative und nah am Bedarf orientierte Angebote zu entwickeln und anzubieten. Der VDP fordert für die öffentlich geförderte Weiterbildung und Qualifizierung eine auskömmliche Finanzierung, die nicht nur den aktuellen Bedarf deckt, sondern auch Innovationen und Weiterentwicklungen ermöglicht. Dies sind wichtige Maßnahmen, die die Bundesregierung verlässlich vereinbaren kann.
#5 Fachkräftemangel im Bildungsbereich entgegenwirken – Bildungsqualität sichern
Der Fachkräftemangel gefährdet den Bildungsstandort Deutschland und die Qualität seines Bildungsangebots. Er ist mittlerweile in fast allen Bildungsbereichen von der frühkindlichen Bildung über den allgemeinbildenden Bereich bis hin zur Berufsbildung spürbar. Nicht nur der Erwerb grundlegender Bildungsstandards kann in der Folge nicht mehr gewährleistet werden, sondern auch der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz und auf eine Ganztagsbetreuung im Grundschulalter ab 2026 sind in vielen Bundesländern ohne eine ausreichende Anzahl an Lehrkräften und Erziehern nicht mehr umsetzbar.
Die neue Bundesregierung sollte eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern anstoßen, um diese Entwicklung aufzuhalten und in eine positive Richtung zu lenken. Es bedarf einer Fachkräfteoffensive für Kitas und Schulen, die unter anderem den Ausbau von Ausbildungskapazitäten, eine entlohnte Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher, multiprofessionelle Teams, eine bessere Anerkennung vergleichbarer Abschlüsse Quereinsteigender sowie die bundesweite Einbindung der Potenziale privater Bildungsträger vorsieht, um Ausbildungskapazitäten bedarfsgerecht auszubauen und die Erzieher- und Lehrkräfteausbildung voranzubringen.
#6 Bürokratie abbauen – Bildungseinrichtungen entlasten
Verwaltungsaufgaben und zunehmende Bürokratie belasten Bildungsträger, Geschäftsführungen, Schulleitungen und Lehrkräfte und führen zu einer Abkehr von der eigentlich im Mittelpunkt stehenden pädagogischen Arbeit. Damit Lehrkräfte ihrem Bildungsauftrag wieder in vollem Umfang gerecht werden können und um die Innovationskraft von Bildungseinrichtungen zu stärken, müssen bürokratische Hürden deutlich abgebaut werden. Hier beziehen wir ausdrücklich auch den Bereich der Bildungsmaßnahmen im Rechtskreis SGB II/III sowie im “Gesamtprogramm Sprache” ein.
Der VDP fordert die zukünftige Bundesregierung auf, Berichts-, Dokumentations- und Nachweispflichten zu reduzieren, das Vergaberecht drastisch zu vereinfachen und Vorgaben durch die Schulaufsicht, die weit über die gesetzlichen Regelungen hinausgehen, abzubauen.
Verband Deutscher Privatschulverbände e.V.
Kronenstraße 3
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Ellen Jacob, VDP-Bundesgeschäftsführerin
Januar 2025